Die Einhaltung des Standes der Technik nachweisen (bzw. der Regeln der Technik oder Stand der Wissenschaft)

Software muss (wie alle Produkte und Dienstleistungen) dem Stand der Technik bzw. zumindest den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Das wird oft vertraglich festgelegt und auch von den Softwareentwicklern meist behauptet. Doch wie kann man das auch belegen?

Stand der Technik, (allgemein anerkannte) Regeln der Technik und Stand der Wissenschaft (und Forschung) sind juristische Technikklauseln, die in verschiedenen Rechtsgebieten Verwendung finden. Zur exakten Wortwahl und deren juristische Interpretation siehe Technikstandards. Aber wie kann man nachvollziehbar und auch vor Gericht haltbar nachweisen bzw. prüfen, ob ein Produkt bzw. eine Dienstleistung dem geforderten Standard entspricht?1

Geprüft werden muss jedes Verhalten auf technischem Gebiet (also jede Technik, jedes Tool, jede Technologie) ob es dem folgenden Schema entspricht. Sobald auch nur ein Punkt nicht eingehalten ist, so gilt dieses Verfahren und somit das gesamte Produkt bzw. die Dienstleistung als nicht dem jeweiligen Technikstandard entsprechend.

Regeln der Technik:

  • Gründet sich die technische Regel auf Erkenntnisse der Wissenschaft oder praktische Erfahrung?
  • Ist die Mehrheit der Praktiker von der Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der technischen Regel überzeugt oder konnte zum Zeitpunkt der Entscheidung die technische Regel den damit konkret verfolgten Zweck tatsächlich erreichen und war die Zweckerreichung als wahrscheinlich anzusehen?

Stand der Technik:

  • Beruht das geprüfte Verfahren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen?
  • Ist die Funktionstüchtigkeit des geprüften Verfahrens erprobt und erwiesen?
  • Ist das geprüfte Verfahren fortschrittlicher als alternative Verfahren?
    • Andere Verfahren ermitteln, die anstelle des geprüften Verfahrens passen.
    • Verfahren ausscheiden, die nicht den Anforderungen einer Regel der Technik entsprechen.
    • Verfahren ausscheiden, die keinen wissenschaftlichen Ursprung haben.
    • Verfahren ausscheiden, deren Funktionstüchtigkeit nicht erprobt und erwiesen ist.
    • Aufwand und Ausmaß der Interessenverfolgung ermitteln (Kosten/Nutzen)
    • Verfahren ausscheiden, wo Verhältnismäßigkeit zwischen Kosten und Nutzen geringer 

Stand der Wissenschaft:

  • Beruht das geprüfte Verfahren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen?
  • Ist die Funktionstüchtigkeit des geprüften Verfahrens erprobt und erwiesen?
  • Stellt das Verhalten den höchsten verfügbaren Wissenstand dar?
    • Andere Verfahren ermitteln, die anstelle des geprüften Verfahrens passen.
    • Verfahren ausscheiden, die nicht den Anforderungen der Regeln der Technik entsprechen.
    • Verfahren ausscheiden, die keinen wissenschaftlichen Ursprung haben.
    • Verfahren ausscheiden, deren Funktionstüchtigkeit nicht erprobt und erwiesen ist.
    • Ausmaß der Interessenverfolgung ermitteln (z.B. Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung).
    • Einfacher Vergleich der Verfahren anhand der ermittelten Werte. 

Im kommenden Blogpost werde ich das anhand einiger bekannter und oft verwendeter Techniken und Technologien beispielhaft durchspielen. Gleich vorweg: einige der Techniken und Technologien sind nicht für diverse Produkte und Dienstleistungen geeignet - ihr Einsatz sollte tunlichst vermieden werden, wenn man die Software abgenommen bekommen und Gewährleistungs- und Schadenersatzforderungen vermeiden möchte.

Fazit: Es gibt für die drei Technikstandards nachvollziehbare Prüfschemas zum Belegen, ob und welchem Technikstandard entsprochen wird. Nur wenn man alle einzelnen Punkte als eingehalten belegen kann, entspricht das Produkt bzw. die Dienstleistung dem jeweiligen Standard.

___

1. vgl Oliver Völkel: Neues Verständnis der Technikklauseln und ihr Verhältnis zu den technischen Normen. 2010, Seiten 86, 113, 125; doi:10.25365/thesis.8608 

CC BY-NC-SA 3.0 AT Sebastian Dietrich, e-movimento