Was tun, wenn die Wartung einer Software vorzeitig endet?

Auch der beste Wartungsvertrag kann nicht verhindern, dass die Wartung vorzeitig eingestellt wird. Sei es, weil der Vertrag ausläuft, die Software aber weiter verwendet werden soll, sei es weil der Auftragnehmer den vertraglich geschuldeten Wartungsleistungen nicht nachkommt oder gar nicht nachkommen kann. Was kann und darf man in so einer Situation tun bzw. wie kann man so eine Situation entschärfen?

Hier muss zunächst zwischen Software und Services unterschieden werden: Bei Services, also beispielsweise Software as a Service (SaaS), wo die Software in der Cloud läuft und als Service angeboten wird, hat man keinen Wartungsvertrag, sondern einen Servicevertrag. Dieser sollte zwar sicherstellen, dass eine laufend gewartete Software als Service zur Verfügung gestellt wird, macht aber üblicherweise keinerlei Zusicherungen hinsichtlich der Lebensdauer des Services. Man hat hier weder technische noch vertragliche Möglichkeiten um Wartung (und Betrieb) der Software zu verlängern:

Bei Softwareservices tut man gut daran, das Wohl seines Unternehmen nicht vom Fortbestand der Services abhängig zu machen und auch kurzfristig (z.B. für den Fall einer unvorhergesehenen Beendigung des Services) Alternativen parat zu haben.

Bei Software muss (wie auch bei ChangeRequests) zwischen Standardsoftware und Individualsoftware unterschieden werden:

Bei Individualsoftware - also bei Software für die der Auftraggeber sämtliche Rechte besitzt - müssen keine juristischen Fragestellungen hinsichtlich der Fortführung der Wartung bedacht werden. Die (neben der Sicherstellung des Sourcecodes) hauptsächliche Schwierigkeit ist, dass andere Personen (z.B. eigene Mitarbeiter oder Mitarbeiter eines neuen Wartungspartners) die Softwarewartung übernehmen müssen. Und das oft ohne ausreichende Übergabe- oder Einarbeitungszeit. Je nach Größe und Komplexität der Software kann so eine Übernahme extrem aufwändig, risikobehaftet und sogar eventuell unmöglich sein. Diesbezüglich gibt es jede Menge Überlegungen und Tipps - siehe dazu der nächste Blogpost Übernahme von Software

Bei Standardsoftware müssen darüber hinaus auch rechtliche Fragen geklärt werden. Dies sind insbesondere die folgenden:

  • Was wenn der Wartungsvertrag ausläuft oder der Softwarehersteller den Wartungsvertrag kündigt? Zunächst wird man sich um einen weiteren Wartungsvertrag bemühen müssen. Aber was, wenn diesbezüglich keine Einigung erzielt werden kann?
  • Was wenn der Wartungsvertrag nicht eingehalten wird? Wie bei allen anderen Arten von Verträgen wird man zunächst die Mängel aufzeigen und eine Verbesserung verlangen müssen. Was aber wenn das nichts bewirkt weil das Wartungsunternehmen die Verbesserung nicht umsetzen kann oder will. In den meisten Fällen kann man in diesem Fall vom Vertrag aussteigen. Aber was dann? Darf man die Software weiter nutzen? Darf man sie selbst warten oder durch Dritte warten lassen?
Software kann natürlich auch ohne Wartungsvertrag laufen. Das ist allerdings rechtlich problematisch, da der Einsatz ungewarteter Software die damit umgesetzten Produkte und Dienstleistungen mangelhaft macht. Auch technisch wird das nicht allzulange funktionieren, da ungewartete Software durch äußere Einflüsse unbrauchbar werden könnte. Das kann auch plötzlich und für den Käufer/Benutzer der Software unerwartet passieren. Man denke hier z.B. an die Abschaltung von ReCAPTCHA v1 oder das Jahr-2038-Problem.
→ In den allermeisten Fällen wird man den Einsatz von ungewarteter Software vermeiden wollen.

Vermutlich darf man in den oben genannten Fällen die Wartung der Software selbst legal übernehmen (oder Dritte damit beauftragen). Die europäischen Richtlinie 2009/24/EG berechtigt zur bestimmungsgemäßen Benutzung inkl. Fehlerbehebung (Artikel 5 Abs. 1) bzw. Dekompilierung zur Herstellung der Interoperabilität mit anderen Programmen (Abs. 2). Wenn ein Teil der Wartungsarten (die genannten Punkte fallen unter korrektive-, präventive-, Notfalls- und ein Teil der adaptiven Wartung) ohne Zustimmung des Rechtsinhabers erlaubt ist, so kann man davon ausgehen, dass auch die restlichen Wartungsarten (additive-, perfektionierende- und der Rest der adaptiven Wartung) erlaubt sein könnten. Allerdings ist die Wartungsübernahme nicht gerade trivial und schon gar nicht mit Sicherheit erfolgreich - siehe dazu der nächste Blogpost Übernahme von Software.
→ Auch wenn es legal möglich sein könnte, die Softwarewartung selbst zu übernehmen, so ist das keine triviale oder gar kostengünstige Lösung.

Fazit: Man tut gut daran schon bei Abschluss eines Wartungsvertrages vertraglich und technisch festzulegen, wie im Falle des Auslaufes, der Kündigung oder Nicht-Einhaltung des Wartungsvertrages vorgegangen werden sollte: Wie man 1) zu einer für beide Seiten akzeptablen Fortführung des Wartungsvertrages kommt und wenn ersteres nicht möglich/erfolgreich ist, wie 2) der Käufer der Software auch ohne Wartungsvertrag die Software weiter betreiben, warten und weiterentwickeln kann.

Weitere typische Mängel von Wartungsverträgen siehe Was fehlt den meisten Wartungsverträgen?
CC BY-NC-SA 3.0 AT Sebastian Dietrich, e-movimento