Wie stellt man den Stand der Technik sicher (Part 3 - Abnahme und In-Betriebnahme)

Software muss hinsichtlich der Entsprechung des Standes der Technik geprüft werden. Ansonsten kann nicht gesagt werden, dass die Software den Anforderungen entspricht, was zur Verweigerung der Abnahme und (auch bei nur intern verwendeter Software) rechtliche Konsequenzen führt.

Spätestens zum Zeitpunkt der Abnahme bzw. vor In-Betriebnahme sollte eine derartige Prüfung durchgeführt werden. Da der Stand der Technik zu den „Beschaffenheiten, die … üblich und vom Käufer erwartbar sind“ (§434 BGB) bzw. „gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ (§ 922 ABGB) gehört, kann der Auftraggeber zwar auch noch nach der Abnahme diesbezüglich Verbesserung verlangen, aber das wird für beide Seiten deutlich teurer: Sobald die Software eingesetzt wird, führen einerseits diesbezügliche Mängel potentiell zu Schäden, andererseits ist eine Behebung der Mängel dann potentiell deutlich teurer (weil beispielsweise Produktivdaten korrigiert werden müssen.

Wie aber stellt man bei Abnahme bzw. In-Betriebnahme den Stand der Technik sicher? Zunächst einmal durch eine Prüfung, ob die Software dem Stand der Technik entspricht. Hat man den Stand der Technik geeignet im Rahmen der Ausschreibung bzw. Vertragsgestaltung festgelegt, so ist das potentiell leicht durchführbar. Ist das nicht der Fall, so wird geraten einen externen, unabhängigen Sachverständigen für diese Prüfung heranzuziehen:

  • Einerseits sollte ein Sachverständiger darin geübt sein, Software hinsichtlich Erreichung des Standes der Technik zu messen. Das ist potentiell effizienter und sicherlich effektiver, als wenn sich eigene Mitarbeiter daran versuchen,
  • andererseits kann ein Sachverständiger auf Grund seiner Erfahrung sagen, wie schwerwiegend etwaige Verletzungen hinsichtlich des Standes der Technik sind und wie man sie bestmöglich ausbaut,
  • weiters vermeidet man durch einen von beiden Seiten anerkannten Sachverständigen potentiellen Streit.
  • Darüber hinaus kann man durch den Einsatz eines unabhängigen Dritten rechtliche Bedenken ausräumen (z.B. Verdacht der Absprache, Zugriff auf Sourcen bzw. Betriebsgeheimnisse)

Was aber tun, wenn festgestellt wird, dass der Stand der Technik nicht erreicht wurde? Geringfügige Mängel sind relativ rasch behoben und können im Rahmen einer bedingten Abnahme geregelt werden. Handelt es sich aber um nicht geringfügige Mängel, so ist man gut beraten, die Abnahme zunächst zu verweigern und die Software nicht in Einsatz zu nehmen. Damit vermeidet man wie oben beschrieben nicht nur potentielle Schäden und Mehrkosten, man ist auch juristisch auf der sicheren Seite, da man keine (Mit-)verantwortung für direkte oder indirekte Schäden trägt.

Wie aber kommt man dann zu einer Abnahme bzw. Einsatztauglichkeit der Software? Dafür gilt es zunächst die unterschiedlichen Arten der Mängel des Standes der Technik einzeln zu betrachten und zu erheben, wie und mit welchem Aufwand diese zu beheben sind bzw. durch andere Maßnahmen der Stand der Technik sichergestellt werden kann. Potentiell lässt sich das ebenfalls im Rahmen einer bedingten Abnahme und verzögerten Inbetriebnahme der Software umsetzen. Bei vielen groben Verletzungen kann das aber auch jahrelang dauern und lässt sich wirtschaftlich nur im Rahmen der Weiterentwicklung sinnvoll machen. Siehe dazu der nächste Blogpost "Wie Software auf Stand der Technik bringen?"

Fazit: Nur wenn bereits im Rahmen der Ausschreibung bzw. Vertragsgestaltung der Umgang mit dem Stand der Technik geregelt wurde, ist die Sicherstellung des Standes der Technik im Rahmen der Abnahme und In-Betriebnahme leicht durchführbar. Ansonsten kann das nicht nur sehr aufwändig, sondern sogar potentiell wirtschaftlich oder zeitlich unzumutbar sein. Dann bleiben einem neben Rückabwicklung des Vertrages rechtlich nur die Preisminderung und ein Einsatz einer Software, die eben nicht dem Stand der Technik entspricht, mit all den juristischen und kommerziellen Folgen.

CC BY-NC-SA 3.0 AT Sebastian Dietrich, e-movimento